Montag, 20. Februar 2012

Der Gott des Gemetzels - Carnage (2011), FR/DE

Auf einem preisgekrönten französischen Theaterstück basiert die schwarze Komödie Der Gott des Gemetzels“. Es ist das neueste Werk vom Altmeister Roman Polanski aus dem Jahr 2011, der ein brillantes Kabinettstückchen über die Brüchigkeit gesellschaftlicher Normen und den Wandel von Großbürgerlichkeit zur Spießbürgerlichkeit liefert.

Von der spürbaren Anspannung und erzwungenen Konversation zu Beginn, bis zum Schluss spielt der Film ausschließlich in einer gleichen Wohnung und einem Flur. Es gibt nur vier Protagonisten: zwei Ehepaare. Deren Kinder haben sich in einem Park eine Schlägerei geliefert, die eskaliert ist. Dem einen Jungen fehlten danach zwei Zähne. Die Eltern des Täters haben daraufhin die Eltern des Opfers aufgesucht, um das Ganze aus der Welt zu räumen. Doch was dann passiert, hat die Welt noch nicht gesehen. Im Laufe des Gespräches kommen Dinge zum Vorschein, die besser im Verborgenen geblieben wären.

Wenn sie alle vor den Trümmern ihrer Zivilisiertheit stehen, ist Gott des Gemetzels ein Groteskes Abbild einer Menschheit, die zu beweisen versucht, dass Zivilisation nicht mit, sondern trotz der Natur der Menschen existiert. Der Film kann denn auch als eine Gesellschaftskomödie in einer postchristlichen Zivilisation bezeichnet werden, in der das christliche Menschenbild entweder durch Gutmenschentum oder durch Zynismus ersetzt worden ist. Die Moral wird so zu einer minimalistischen Ethik, deren oberflächlicher Firnis bürgerlicher Kultiviertheit sich als allzu brüchig erweist. Für gewöhnlich kann man bei ähnlichen Filmen eine bestimmte Stelle ausmachen, an der die Handlung kippt, die Eskalation. Aber in diesem Film ist es nicht, denn die Situation eskaliert ständig, immer weiter und von neuem und sie alle quälen sich durch diesen unnötigen Nachmittag, weil niemand einen Rückzieher machen will. Diese kleine New Yorker Wohnung wird zu einem Hexenkessel, in dem die Emotionen so sehr hochkochen, bis alle vier Maske um Maske ablegen und jeder allein da steht. Wie Polanski Schritt für Schritt die Fassaden öffnet und alles, wirklich alles offen legt, was dahinter steckt, das ist eine Klasse für sich. Der Spannungsbogen, der eigentlich gar nicht existiert, wird bis zum Ende hochgehalten. Und das Ende hat dann auch noch eine Überraschung parat.

Alle Schauspieler sind grandios, besonders Christoph Waltz hat mich absolut überzeugt. Faszinierend, wie durch Kleinigkeiten die Fassade der Zivilisation bröckelt, jeder seinen persönlichen wunden Punkt hat und aufgrund dessen die Charaktere sich immer wieder wechselnd miteinander verbünden und dann wieder an den Hals gehen. Ein Film für alle Fans der großen Schauspielkunst! 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen